Gut, dass man das Elend nicht sieht

Wieder kann ich auf ein paar Kilometer mehr auf meinem Tacho zurückblicken. Es hatte eigentlich so schön angefangen nach dem ich Geralton verlassen hatte, es rollte gut, der Wind blieb mir gnädig und ich wurde abends sogar zum Wein eingeladen. Meine Tagesetappen wurden länger – ja bis zu 170 km strampelte ich bei den hier kurzen Tagen. Übernachtet habe ich meist auf den gut angelegten Raststätten. Meine Nachbarn waren dann meist Wohnwagenfahrer, die mir mit Tisch und Bank das Camperleben erleichtert haben.

Als ich mal wieder "wild" übernachten wollte, fing das Übel an. Wie immer schob ich mein Rad durch das Gestrüpp an einen von der Straße nicht einsehbaren Teil. Schon viel hatte ich gelesen von den Dornen, die jeden Fahrradreifen durchbohren, aber insgeheim dachte ich mir, dass das einfach die falschen Reifen waren. Immerhin hatte ich auf vergangenen Touren mit meinen Reifen schon zig tausend Kilometer ohne eine Platten zurückgelegt. Endlich fand ich einen geeigneten Platz, lud meine Taschen ab und bemerkte dabei die kleinen runden "Bobbel", die sich aus meinen Reifen herausformten. Die Ersten haben mich noch sehr amüsiert und waren einfach zu entfernen bis ich bei einem weiteren ein Zischen hörte - oh hoppla! Beim anderen Reifen dann das gleiche Spiel. Also schnell das Flickzeug hervorgekramt – da merkte ich, dass selbst meine stabilen Radtaschen diesen Dornen nichts entgegen zu setzen haben. Ohne Probleme sind diese auch hier durch das Material durchgedrungen.

Nach meinem Rad, das nun "kopfüber" die Nacht verbringen musste, wurde jeder Millimeter des Bodens nach Dornen durchsucht, um für Zelt und Radtaschen einen "sicheren" Platz zu finden. Der Morgen begann – nach Frühstück und Packen – erst mal mit dem Schleppen von Ausrüstung und Rad bis an die Straße. Bei viel Gegenwind habe ich schließlich Carnarvon erreicht, das bei Backpackern sehr beliebt ist. Doch nicht die Strände locken hier, sondern die Gelegenheit, die Reisekasse aufzufüllen. Als Erntehelfer scheinen die Bewohner des gesamten Hostels, ihre Tage in den Bananen-, Bohnen- oder Erdbeerfeldern zu verbringen. Auch mir wurde sogleich Arbeit angeboten. Dieses Angebot musste ich allerdings dankend ablehnen, da ich keine Arbeitserlaubnis habe. Stattdessen stand für mich mal wieder ausruhen, essen und die Gegend erkunden an der Tagesordnung.

Eine von Palmen gesäumte Allee mit vielen Gedenksteinen zeugt davon, dass selbst hier viele Matrosen im 2. Weltkrieg ihr Leben lassen mussten. Nahe der Küste wurde erst 2008 die HMAS Sydney wieder gefunden – ein Kriegsschiff, das von der Deutschen Kriegsmarine (Kormoran) versenkt wurde!! Auch wurde mir berichtet, dass der Buchladenbesitzer stolzer 2-maliger Australienumrunder mit dem Fahrrad sein soll. Den musste ich auf jeden Fall treffen! Ein netter älterer Mann erwartete mich dort, lud mich zum Kaffee ein und erzählte von einer Erscheinung, die er einst hatte, als er durch die Nullabour Wüste mit dem Auto fuhr. Von seiner Gesundheit bis ins hohe Alter von 120 Jahre wenn er um Australien radelt und nicht zuletzt von seinem "Schutzschild", das er um sich hat und ihm dadurch nichts geschehen könne!!! Laut meiner Rechnung müsste er somit nun 240 Jahre alt werden; schließlich hat er es schon zweimal gemacht;-)

Leider war es auch hier so, dass alle Strände oder auch interessante Orte einen großen Umweg erforderten und lediglich eine Stichstraße waren. So blieb ich dem „Great Northern Hwy“ treu. Die nächsten 632 km sollten geprägt sein von Wassermangel, das wusste ich im Voraus, aber was noch auf mich zukommen sollte, hat noch etwas auf sich warten lassen. Also strampelte ich mit voll gefüllten Wassersäcken los.

Schnell hatte mich der Regen, der angekündigt war, eingeholt und mein Nachtlager hatte sich von rotem Staub in roten Lehm verwandelt. Morgens nahm dann der Wind noch dramatisch zu und ich quälte mich mit 12 bis 15 km/h vorwärts, immer mit der Gewissheit, dass die nächste Wasserstelle erst in 200 km erreicht sein wird. Mir fielen die Worte eines anderen Radreisenden ein, den ich zufällig in Carnarvon traf, "nachts weht der Wind nicht und man muss das Elend (öde Landschaft) nicht sehen". Mir blieb also auch nichts anderes übrig und die nächsten Nächte wurden kurz. Bei Dunkelheit radeln macht auch nicht viel Spaß wenn man schlecht beleuchtet von den Roadtrains überholt wird und sich schon wie eines der Kängurus im Straßengraben liegen sieht. Ich schaffte etwa 80 km bis der Wind anfing, dann noch mal 2 bis 3 std. gegen den Wind weiter strampeln bis zu einem geeigneten Mittagsplatz. Hier sah mein Programm vor allem Füße hoch legen und warten bis voraussichtlich um etwa 16.00 Uhr der Wind wieder nachlässt vor, um dann noch mal zwei Fahrradstunden draufzupacken und bei Einbruch der Dunkelheit einen Nachtplatz anzusteuern, um wieder in der Nacht aufzubrechen.

Die Radelnacht vor Karratha war durchaus auch etwas Neues, da ich ein paar Mienen passierte, wo Eisenerz abgebaut wird. Hell erleuchtet in der Nacht und ohne Ruhe geht es hier in 12 Stunden Schichten zur Sachen. Gerade zum Schichtwechsel musste ich auch noch in der Nähe sein und bei jedem Bus und Pickup hoffen, dass sie mich rechtzeitig sehen. Doch dank der allgegenwärtigen Kängurus fahren die meisten doch etwas vorsichtiger in der Dunkelheit. Karratha habe ich nach nur 2 Gegenwindstunden erreicht - gut, dass ich um 4.00 Uhr losgeradelt bin. An der Touriinfo lernte in Trevor kennen, der sich gerade vom Mountainbiken erholte und mich prompt zu sich einlud. Genial! Denn das örtliche Hostel wie auch die Zeltplätze sind von den Mienenarbeitern belegt.

Nun habe ich auf Anraten von vielen Campern und aus den Erfahrungen der letzten Tagen beschlossen, ein paar Strecken mit dem Bus zurückzulegen. Es macht einfach keinen Sinn sich in der Einöde gegen den Wind zu plagen und ständig Gefahr droht, weil man gezwungen ist, nachts zu radeln. Schließlich soll es ja auch etwas Spaß machen.

PS: Des Rätsels Lösung vom letzten Blogeintrag: Richtig ist - manche haben mir die Antwort geschickt - MT Meharry.

Alle, die das als Antwort angegeben haben, sind herzlich eingeladen mich zu besuchen - das Bier geht selbstverständlich auf mich ;-)

Datum: 09.06.(Tag 23) - Tachometerstand Juwi: 1668km - davon Australien 1668km / davon Neuseeland km 0 Ort: Karratha/Australien

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