Pension Müll

Auf der verzweifelten Suche nach einem Nachtplatz in der Nähe von Mahdia landen wir in einem ausgetrockneten Bachbett. Der Platz ist nicht sehr attraktiv, aber in der dichtbevölkerten und landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegend scheinbar immer noch die beste Wahl. Wir stehen nicht lange, da sind schon die ersten Besucher am Start. Wie immer geht es freundlich zu, doch mit der Ruhe ist es erstmal vorbei.

Auch der dritte oder vierte Besucher begrüsst uns freundlich, doch hat er schwere Sicherheitsbedenken. Sein Französisch ist kaum besser wie unser Geradebreche. Doch wir meinen seine Botschaft entschlüsseln zu können. "Wir sind zu nahe an den Häusern und die frechen Kinder würden deshalb wohl gerne Steine auf unsere Autos werfen. Er kennt einen geeigneten Platz in der Nähe, den er uns gerne zeigen würde."

Angetan von soviel Hilfsbereitschaft steigen wir in die Fahrzeuge und rumpeln über wildes Gelände dem Mofa-Mann hinterher. Ein paar hundert Meter weiter bleiben wir auf dem dreckigsten Platz der ganzen Gegend stehen. Kein schützender Baum, in jede Richtung sind Häuser zu sehen, Müll wo man hinschaut!! Das kann der gute Mann nicht ernst meinen. Das ist sicher eine Retourkutsche für die ungläubigen Europäer, die sich mit den Mohammed-Karikaturen über den Islam lustig machen. Doch kein Zweifel, er hält den Platz für den perfekten Standort zum Übernachten und fragt uns ganz treu, ob wir zufrieden sind? Mir bleibt die Zunge stecken hin und hergerissen zwischen Ehrlichkeit und Höflichkeit, doch einer aus der Gruppe antwortet brav: "Nice place!"

Was für eine Ironie, wir landen auf einem der dreckigsten Punkte in ganz Tunesien, kaum ein paar Meter weiter vom letzten Standort, wie auf dem Präsentierteller platziert für jeden Steinewerfer und sind dem guten Mann natürlich auch noch zu Dank verpflichtet. Als auch noch, die von ihm informierte Polizei vorbeischaut und unsere persönliche Sicherheit garantiert sind wir quasi gezwungen den Platz für die Nacht zu halten, wollen wir keine Großfahndung nach den verschwundenen Deutschen auslösen.

Noch ziemlich irritiert von den Ereignissen versuchen wir uns mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Doch die Umgebung lässt uns keine Gelegenheit dazu. Im Viertelstundenrhytmus rücken Einheimische an, die uns mit Oliven und Öl versorgen und zu sich nach Hause einladen (vermutlich haben sie Mitleid mit Leuten, die auf Müllkippen schlafen), Hirten die uns eindringlich vor einer Nacht in dieser "Todeszone" warnen, Schaulustige, die den Gerüchten nicht glauben können, daß sich drei Westeuropäer in die Abfallgrube verirrt haben. Kurz, wir sind die Attraktion der ganzen Umgebung, von der man sicher noch lange sprechen wird.

Um 22:30Uhr haben wir schließlich die letzten Gäste abgewimmelt und sind in den Dachzelten. Doch der Platz hat noch eine Überraschung parat. Gegen Mitternacht droht noch ein Überfall von Halbstarken. Nur mit Mühe können wir das Unheil dank entschlossenem Auftreten abwehren. An Schlaf ist wegen der Sorge um die Sicherheit und den eisigen Temperaturen kaum noch zu denken. Was für eine beschissene Nacht!

Nach dem Frühstück verklappe ich meinen Plastikflasche auf dem Gelände; schon steht die Polizei da. Ich werde ganz unruhig vor lauter Schuldgefühl. Da bekommen wir den besten Schlafplatz der Gegend und ich schmeiss mit Müll um mich. Die Polizisten haben logischerweise andere Sorgen und langsam wird mir klar, daß nur mein westeuropäisches Kleinhirn auf die Idee kommen kann, daß ich hier mit meiner Flasche die Gegend verschandel. Ich glaube, die letzte Nacht hat mir wirklich nicht gutgetan.

Die Polizei eskortieren uns, gewohnt freundlich, mit dem Fahrzeug weg vom "nice place" und eine Stunde später stehen wir in Mahdia in der Lobby des Viersterne-Hotels; welch krasser Gegensatz!!

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